Frustrationstoleranz aufbauen

Frust ist blöd. Langweilig. Gemein. Oder?


Frust seltener zu fühlen, ist eine Fähigkeit. Wer nicht gleich bei jeder Kleinigkeit aus der Hose springen muss, der kommt entspannter und glücklicher durchs Leben. Menschen mit einer hohen Frustrationstoleranz, also einer großen Fähigkeit, trotz Frust locker zu bleiben und das Beste aus der Situation zu machen, bezeichnen wir gerne als „tiefenentspannt“ oder „in sich ruhend und souverän“. Wer sich nicht von seiner Ungeduld leiten lässt, der kann aus den Zitronen, die das Leben ihm vorwirft, Limonade machen.


Frustrationstoleranz ist also auch ein Grundbaustein für eine positive Lebenseinstellung und die Kraft, selbst in schwierigen Situationen die Kontrolle behalten zu können.


Und zwar die Kontrolle über sich und seine eigene Wahrnehmung, selbst wenn man an den Umständen um einen herum nichts verändern kann. Es ist etwas, wonach wir Menschen streben und was wir an anderen bewundern. Wenn uns diese Fähigkeit so sehr im Leben hilft, warum sollte sie nicht auch unseren Hunden guttun? Jeder Hund kommt als eigener Charakter zur Welt. Er bringt Grundfähigkeiten mit und hat Talente und Schwierigkeiten. Diese Talente zu fördern, bringt uns Spaß. Denn sie zu fördern ist leicht und fällt auf fruchtbaren Boden. Schnell zeigen sich Fortschritte, der Hund freut sich ebenso wie wir, dass er den Ansprüchen spielend leicht gerecht werden kann – und andere bewundern uns für das außergewöhnliche Können unseres Hundes.


Etwas zu üben, in dem unser Hund wenig Talent mitbringt, ist dagegen weniger attraktiv. Es nervt uns und auch unseren Hund! Es ist ein bisschen wie die ungeliebten Hausaufgaben damals in der Schule. Das Fach, das uns so gar nicht lag. Wer mag das schon? Aber wer würde sich schon freiwillig damit befassen, diese Dinge mühsam zu erlernen? Wahrscheinlich keiner.


Das heißt, irgendjemand, der uns Gutes will und möchte, dass wir später einmal gut in der Welt zurechtkommen, muss sich dem Problem annehmen und uns in die Konfrontation mit den Aufgaben bringen, die wir so gar nicht gut können. Das nennt man dann Erziehung. Das Vorbereiten auf die Welt und ihre Anforderungen, und manchmal auch das Aufdrücken von ungeliebten Aufgaben.


So ist es auch bei Hunden. Die meisten von ihnen bringen wenig Talent mit, Frust zu ertragen, um nicht gleich vor Wut, Trauer oder Verzweiflung auszuflippen, nur weil es mal gerade nicht nach ihrer Nase läuft. Und wenn sie es nicht mit unserer Hilfe lernen, dann haben sie auch keinen Anstoß, jemals gut mit frustrierenden Umständen klarzukommen. Stell Dir vor, Du würdest jeden kleinen Rückschlag, jede Langeweile und jede Form der Abweisung sofort als riesiges Problem ansehen. Wie anstrengend wäre Dein Tag? Morgens beim Bäcker müssen wir in der Schlange warten, obwohl wir es eilig haben. Es wird erwartet, dass wir trotzdem freundlich den Bäcker um ein Brötchen bitten und die Menschen vor uns in der Schlange nicht wegschubsen, um schneller an die Reihe zu kommen. Auch lautes Schreien und Weinen würde auf wenig Gegenliebe bei den Umstehenden treffen. Zu Recht! Man kann eben bei kleineren Problemen erwarten, dass ein Erwachsener sich zusammenreißen kann.


Und selbst bei größeren Problemen, die uns kurzzeitig stark belasten, ist es sinnvoller, überlegt und aktiv nach Auswegen zu suchen, als in seiner Verzweiflung zu ersticken. Menschen und Hunde lernen diese Fähigkeit aktiv. Kinder bekommen beigebracht, am Tisch zu sitzen, bis alle aufgegessen haben. Die Zähne zu putzen, obwohl sie müde sind und nur ins Bett wollen – und selbst große Ungerechtigkeiten und Verluste nicht mit Gewalt und unkontrollierten Ausfällen zu beantworten. Und Hunde brauchen solche Aufgaben zum Schulen der Ruhe und Souveränität. Hilfreich ist da natürlich immer ein Lehrmeister, der selbst ruhig und gelassen ist. Der das ausstrahlen kann, was er von mir erwartet.


Muss ich mich als Hund zusammenreißen, dann hilft mir kein Mensch, der selbst laut, hektisch, quietschig oder ungeduldig ist. Ruhig und bestimmt, sanft, konsequent, wohlwollend und zugewandt sollte er sein, während er die Aufgaben für den Hund gestaltet. So kann auch der Hund schneller zu dem Ergebnis kommen, dass ein wenig Frust kein Beinbruch ist und ein bisschen Langeweile nicht das Todesurteil bedeutet.


Früh übt sich auch in diesem Falle!


Ein aktives Erlernen von Frustrationstoleranz kann und sollte bereits im Welpenalter stattfinden. Dafür braucht man keine extra Zeit für ein Training. Das Leben bietet tausend Möglichkeiten zu üben, nicht direkt alles tun zu dürfen und ohne ständige Bespaßung und Ansprache (egal, ob Lob oder Strafe) durchs Leben zu kommen.


Nicht immer im Mittelpunkt zu stehen und nicht das Geschehen zu leiten, das ist etwas, was viele Hunde kaum kennen. Als Besitzer kann man sich dafür einmal probehalber ansehen, wie ein normaler Tag mit seinem Hund so verläuft. Wer lenkt eigentlich wen? Wer agiert und wer reagiert in unserer Beziehung?


Als Reaktion zählt selbstverständlich auch ein Blick, ein Befehl oder auch jede Form von Strafe. Rufe ich tatsächlich meinen Hund, agiere ich also, und er reagiert, indem er kommt? Oder rufe ich ihn nur, weil er wieder sehr weit vorgelaufen ist und mich eigentlich durch seinen Abstand zum Reagieren, nämlich zum Rufen gebracht hat?


Ist der Hund es gewohnt, pausenlos zu agieren und immer irgendeine Reaktion zu bekommen, dann ist es für ihn natürlich selbstverständlich, dass alles, was er tut und lässt, einen gravierenden Einfluss auf die Welt hat. Wer sollte ihm das auch verübeln? Bekommt er dann plötzlich keine Reaktion, kann es natürlich sein, dass er das erst einmal als Frechheit ansieht oder es in ihm großen Frust hervorruft. Das kann sehr anstrengend und peinlich für den Besitzer sein – deswegen wird es gerne vermieden.


Fazit


Eine hohe Frustrationstoleranz macht uns und unseren Hunden das Leben leichter. Vom „an der Leine gehen“ bis zum „auf andere Hunde zustürmen“ – alles wird entspannter, wenn Hund und Halter grundsätzlich Ruhe bewahren und Reize auch mal links liegen lassen können.